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  Von: "Rudolf Westerheide" Aus: "Aufatmen"

  Der Titel ist zweideutig. Der erste Blick weckt die Erwartung nach einer Reise ins Ich, nach zielstrebiger Auseinandersetzung mit verschütteten Gefühlen, Verletzungen und Potentialen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Auslegung der sieben "Ich-bin"-Worte Jesu, und die dahinter stehende intensive theologische Arbeit, führt zu aufregenden Entdeckungen. Der Leser wird mitgenommen zu einer neuen Wahrnehmung von Jesus, seinem ungeheuerlichen Anspruch und befreienden Zuspruch. Gerade dieser Weg erweist sich als Schlüssel zur echten Selbstfindung, denn Selbstannahme und Selbstliebe sind letztlich nur möglich, wenn wir lernen, uns selbst mit den Augen von Jesus zu betrachten. "Was würde passieren, wenn ich auf mich selbst durch Jesus zukäme?" (S.85). Fesselnd wird die Lektüre auch dadurch, dass mit dem Evangelium von der Liebe Gottes die zweifelnden Gegenfragen aufgenommen werden. Zu den Höhepunkten gehört das intensive Nachdenken über die biblische Botschaft vom Gericht. Wer hat schon das Gericht als Anfang und Grundbedingung für die himmlische Herrlichkeit begriffen? "Die Ewigkeit ohne Gericht wäre die Hölle." (S. 154)
  Nicht aus dem Wunsch heraus, sich wohlfeil als Tabubrecher zu exponieren, sondern den Herausforderungen der biblischen Texte folgend, erweisen sich die Autoren als Querdenker. Das führt zu mutigen Aussagen, die auf heilsame Weise herausfordern, auch wenn sie nicht immer richtig sein müssen. Die Behauptung etwa, dass man nicht unbedingt Christ werden müsse, um zu Gott zu kommen, hat keinen biblischen Rückhalt. Die kritische Auseinandersetzung mit einem Biblizismus, der den Buchstaben vergöttert und sich so dem Geist entzieht, ist hilfreich. Das alternativ angebotene Schriftverständnis bedarf jedoch, wie weite Teile des Buches, einer kritischen Reflektion durch mündige Leser.
  An einigen Stellen wird zur Stärkung der eigenen Aussagen unnötiger Weise die Negativfolie der immer wieder gerne zitierten, aber auch hier nicht näher zugeordneten gesetzlichen Frömmigkeit bemüht. Wenn Krause dabei mit recht leichter Hand diejenigen, die seine Erkenntnis nicht teilen, als "Fundamentalisten" brandmarkt, vermisst man die Toleranz und Offenheit, die er von den so Gescholtenen einklagt.
  Krause, von dem bis auf das einleitende Kapitel alle Auslegungen geschrieben sind, erweist sich tatsächlich als der begnadete "Erzähler", als den ihn das Vorwort tituliert. Als Einleitung zu jedem Kapitel gibt es Meditationen von Fabian Vogt, die selbst solche Leserinnen und Leser tief berühren, die sich normalerweise mit meditativen Zugängen zu einem Thema schwer tun. Als großformatige Zitate angelegte Doppelungen von Kernaussagen auf jeder Seite machen beim ersten Durchblättern neugierig und erlauben eine nachträgliche Rekapitulation der Kernaussagen.